“Danke, dass Sie mir meine Zähne gerettet haben”

28.04. 2007

FF: …und geärgert?

Dr. Ivan Tresnak: Beim arbeiten ärgert mich am meisten die Situation, wenn es mir nicht gelingt, den Patienten zur einer Selbstverantwortung zur eigenen Gesundheit zu überzeugen. Die Zusammenhänge der Zahnheilkunde und Allgemeinmedizin werden immer deutlicher, wir rücken immer enger an die Humanmedizin. Aber oft ist es so, dass die Patienten möglicherweise eine Aufklärung gegen das Rauchen, übermäßigen Alkoholgenuss oder Tablettenmissbrauch das erste Mal beim Zahnarzt bekommen. Die Gleichgültigkeit gegenüber der eigenen Gesundheit ärgert mich am meisten.

FF: Ihr persönliches Laster?

Dr. Ivan Tresnak: Hier kann ich mit den Worten von Zelda Fitzgerald antworten: „Ich liebe es, gewaltige Haufen von Dingen anzusammeln, denen ich mich widmen möchte, damit ich dann zusehen kann, wie sie langsam vor Nichtgebrauch zerbröseln“.

FF: Ihre Sorge?

Dr. Ivan Tresnak: Ich sorge mich in ersten Linie um die Menschen, die sich in immer größere Abhängigkeiten begeben, sei es von der Lebensmittelindustrie, vom Auto oder Fernsehen. Und ich sorge mich um die Mutter Erde, die offensichtlich langsam von uns Menschen die „Schnauze voll hat“. Ich fürchte, wenn wir uns nicht schleunigst zur Partnerschaft bekennen, wird sie uns nach der langen gemeinsamen Geschichte kurzerhand loswerden.

FF: Wie soll man das angehen? Haben Sie da ein Rezept?

Dr. Ivan Tresnak: Selbstverständlich nicht, sonst hätte ich sicher den Nobelpreis bekommen… Ich denke man sollte bei sich anfangen und weniger Müll jeder Art produzieren. In Prag habe ich als Zahnarzt noch Leistungsport getrieben, in Köln und Bonn war ich bekannt als der „Zahnarzt auf Rollschuhen“, hier in Südtirol kennt mich jeder als Zahnarzt auf dem Fahrrad. Wenn ich im Jahr 20 Erledigungen oder Termine in Bruneck habe, fahre ich 20 x mit dem Fahrrad hin. Das ist mein Beitrag

FF: Also bekennen sie sich zum zeitgenössischen Menschen?

Dr. Ivan Tresnak: Menschen sind die reine Magie; es gilt ihnen ihre Stimmung zu erhellen, sie zum Lachen zu bringen. Wie es auch immer in der Geschichte der Menschheit schon gewesen ist: Unsere ganze Hoffnung gehört der jungen Generation. Ich bin immer wieder fasziniert, wie sich junge Menschen motivieren lassen. Die Politiker, die Lehrer und die Trainer, die diese Gabe nicht beherrschen, sollten abdanken. Die Gesellschaft sollte hingegen diejenigen unterstützen, die diese Führungsqualitäten zeigen. Mein Zahntechniker Hubert Kammerer zum Beispiel schart mit einer Handvoll von ehrenamtlich arbeitenden Trainern Woche für Woche bis zu hundert Kinder bei den Trainingseinheiten des LV. Kronspur. Ich habe nicht das Gefühl, dass die Tatsache, dass hundert Kinder 2 bis 3x in der Woche der Loipe dem Fernsehen Vorrang geben, von den Politikern in Raischach und Bruneck richtig wahrgenommen wird. Mit der Erziehung zur gesundheitlichen Selbstverantwortung ist es das Gleiche. Die komplexe Gegenwart, wo die Werte so schwer zu erkennen sind, braucht Motivatoren: wer die Eigenschaft besitzt die Menschen in seinen Bann zu ziehen, sollte die Chance bekommen, dies zu tun.

FF: Heißt es, dass die Zeit der Vorbilder nicht vorbei ist?

Dr. Ivan Tresnak: Meiner Meinung nach nicht. Man muss nur die Sensibilisierungskanäle offen halten. Ein alter Herr dem ich auf dem Fahrrad begegne und der mich mit einem Lächeln grüsst, motiviert mich mehr, als ein gequälter Jan Ullrich bei der Steigung auf den Tourmalet. Wenn ich als Zahnarzt rauchen würde und gleichzeitig die Patienten gegen das Rauchen aufkläre, wäre ich nicht glaubwürdig. Ich kann dem Patienten nicht sagen „lebe gesund und mache regelmäßig Sport“ und dabei übergewichtig und gebrechlich sein.

FF: Was mögen Sie nicht?

Dr. Ivan Tresnak: Dinge, die Ihre Natürlichkeit verlieren, bezogen auf die Menschen, wie auch auf die Gegenstände.

FF: Wie wichtig ist die Teamarbeit in einer Zeit, wo die Menschen immer egoistischer werden?

Dr. Ivan Tresnak: Unheimlich wichtig. Mein großes Problem hier ist, dass die Menschen in Südtirol eher Einzelgänger und Individualisten sind, seit Jahrhunderten gewöhnt, den schwierigsten Wetter- und Naturgewalten zu trotzen, mit einem unglaublichen Gefühl für die Natur und Tiere ausgestattet, fast hilflos gegenüber Teamfähigkeit, Teamapproach und Teamgeist stehen. Teamgeist verlangt eine ultimative Kenntnis des anderen Teammitgliedes – das ist eine Herausforderung, die sich mit einer Philosophie – „ich möchte meine Ruhe haben“ nicht vereinbaren lässt.

FF: Wie sollten Eltern ihren Kindern als Vorbilder gelten, was sollten Eltern in der „gesundheitlichen“ Erziehung beachten?

Dr. Ivan Tresnak: Eltern müssen keinen „Führerschein“ haben, um Eltern zu werden und trotzdem müssen sie so viel schaffen und so viel leisten! Wenn ich mich kurz fassen soll, würde ich sagen: Nicht die Zeit, die sie mit dem Kind verbringen, sondern die Intensität und die Inhalte mit welcher sie diese Zeit nutzen, ist entscheidend! Es ist doch so ein kleiner Lebensabschnitt – nach 15 Jahren ist alles anders und vorbei, das Kind ist ein Jugendlicher und auf dem Weg von den Eltern, aus dem Elternhaus. Warum also die Kinder nicht zur absoluten Priorität machen und warum nicht den Kindern einen ultimativen Weg zu den Werten zeigen? Ich würde mir als Vater von zwei Töchtern als absoluter Versager vorkommen, wenn meine 16-jährige Tochter leicht übergewichtig mit dem Blick auf das Display eines Handys und der Zigarette in der anderer Hand über den Gehweg ohne Ziel schlendern würde … Die Kinder brauchen meiner Meinung nach weder ein Auto mit 18 Jahren, noch eine Eigentumswohnung mit 20 Jahren. Sie brauchen einen lebenslangen warmen Hafen der echten Gefühle, ein Erkenntnis für das kulturelle Erbe dieser Welt, die uns allen gehört und dessen Teil wir sind. Die gesundheitlichen Aspekte sind dann in der Kultur fest verankert.

FF: Was können sie in Ihrer dazu Praxis beitragen?

Dr. Ivan Tresnak: Wir sind uns einig, dass wir hier dazu beitragen wollen, dass uns die Patienten vertrauen, dass sie zu unserem Partner werden und dass wir in der Lage sind, Leistungen zu bringen, die dem hohen Preis der modernen Zahnheilkunde Rechnung tragen.

FF: Und Ihr pesönlicher Wunsch?

Dr. Ivan Tresnak: Mit der gleichen Ausgeglichenheit, Frieden und wissendem Lächeln auf den Lippen dem Alter entgegen treten, wie ich es bei manchen alten Südtiroler sehe, die mit der beschriebenen Aura in der Nachmittagssonne spazieren gehen.